Kardiale Symptome bei Schilddrüsenerkrankungen
Das Herz ist eines der wichtigsten Erfolgsorgane der Schilddrüsenhormonwirkung. Sowohl Über- als auch Unterfunktion der Schilddrüse rufen charakteristische Kreislaufbefunde hervor. Schilddrüsenfunktionsstörungen werden mit überwiegend tachykarden Herzrhythmusstörungen, verändertem Blutdruckverhalten, mit einem erhöhten Sauerstoff bedarf und einer koronaren Atherombildung in Verbindung gebracht.
Funktionelle Veränderungen
Aufgrund der molekularbiologischen Angriffspunkte erhöhter Schilddrüsenhormonzufuhr (Up Regulation der betaadrenergen Rezeptoren, Beschleunigung des Ca Ionenaustausches im sarkoplasmatischen Retikulum) kommt es zu einer Steigerung des Herzminutenvolumens mit verkürzter Kreislaufzeit und Dilatation des peripheren Gefäßsystems. Eine erhöhte Herzfrequenz und eine Erhöhung vorwiegend des systolischen Blutdrucks hat eine Zunahme der Pumpfunktion zur Folge. Fortbestehen der Schilddrüsenüberfunktion führt zu einer linksventrikulären Hypertrophie mit eingeschränkter Koronarreserve. Es kann davon ausgegangen werden, daß eine so thyreogen entstandene Kardiomyopathie beim in übrigen Herzgesunden unter thyreostatischer Therapie reversibel ist.
Herzmuskelveränderungen
Echokardiographisch dopplersonographisch läßt sich bei Patienten mit Hyperthyreose oft ein verändertes Kontraktionsverhalten nachweisen. Während die systolische Funktion des linken Ventrikels unter Ruhebedingungen zunächst noch nicht gestört ist, findet sich in der Regel aufgrund der verkürzten Relaxationszeit eine ausgeprägte Compliancestörung. Überzufällig häufig wird bei Patienten mit Morbus Basedow ein Mitralklappenprolaps gefunden (Inzidenz 60% im Vergleich zur Kontrollgruppe speziell kardiologischer Patienten bei 9,9%). Eine gemeinsame Ursache des gestörten Immunsystems mit Schildddrüse und Herz als Erfolgsorgan wird angenommen. Das Mitralklappenprolapssyndrom bei Basedow Patienten ist in der Regel durch eine myxömatöse Degeneration des Mitralklappenapparats gekennzeichnet und geht mit einer begleitenden meist jedoch geringen Mitralinsuffizienz einher. Endokarditiden und fokale neurologische Störungen sind jedoch bei dieser Patientengruppe häufiger, so daß regelmäßige echokardiographisch dopplersonographische Befundkontrollen, gegebenfalls Antibiotikaprophylaxe vor operativen Eingriffen und permanenter arteriell antithrombotischer Schutz erforderlich sind.
Herzrhythmusstörungen
Inbezug auf das Auftreten von Rhythmussstörungen prävalieren im Fall einer Hyperthyreose die supraventrikulären Formen. Die Inzidenz für das Vorhofflimmern liegt bei diesen Patienten zwischen 15-22% und wird beim Vorliegen eines autonomen Adenoms mit hyperthyreoter Stoffwechsellage auf 43% erhöht. In vielen Fällen hat die Behandlung der Schilddrüsenerkrankung keinen entscheidenden Einfluß auf die Rhythmusstörungen, ausgenommen das Durchbrechen einer permanenten Sinustachykardie. Eine Kardioversion bei Vorhofflimmern sollte unter Antikoagulatienschutz erst nach Erreichen einer eurthyreoten Stofffwechsellage vorgenommen werden.
Bei der Hypothyreose kommt es infolge einer Verminderung der Herzfrequenz und der Verminderung des Herminutenvolumens zu einer Abnahme der Pumpfunktion, wodurch der systolische Blutdruck absinkt (Hypotonie). Das Myxödem führt infolge peripherer Vasokonstriktion und gesteigerter Kapillardurchlässigkeit zu einem eiweißreichen Perikarderguß. Ein hoher Cholesterinspiegel begünstigt bei einer Schilddrüsenunterfunktion die Atherombildung in allen Gefäßprovinzen. Einschleichende Substitutionstherapie mit Levothyroxin kann die kardialen Befunde einer Hypothyreose zur Rückbildung bringen. Sollte bei Schilddrüsenkranken ein invasives Vorgehen mit jodhaltigen Kontrastmitteln erforderlich sein, so stellt eine Hypothyreose keine Kontraindikation für diesen Eingriff dar. Beim Vorliegen einer auch latenten Hyperthyreose sollte 2 Tage vor der Kontrastmittelgabe und 14 Tage anschließend Natriumperchlorat (z.B. Irenat Tropfen) gegeben werden.
Dr. Renate WEINRICH
Berlin, DEUTSCHLAND
Literatur:
Mohr-Kahaly, S.; Kahaly G.; Meyer, J. Z.: Kardiol 85 Suppl 6, 219-231 (1996)
Pfannenstiel, P.; Hotze, L. A.;Saller, B: Schilddrüsenkrankheiten - Diagnose und Therapie Berliner Medizinische Verlagsanstalt 1997
Michalpoulou, G.;Alevizaki, M.; Piperingos, G.; Mitsibounas, D.; Mantzos, E.; Adamopoulos, P.; Koutras, D. A.: Eur. J. Endocrinol 138, 141-145 (1998)